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Verfasst von Nicole Renggli, Inhaberin younique hr consulting  | Nicole Renggli | LinkedIn

"Ach, das bringt doch nichts." – "Ich will keinen Streit." "Das klärt sich schon von selbst." Diese Sätze klingen harmlos, vernünftig, fast schon reif. Doch oft steckt dahinter keine echte Friedfertigkeit, sondern Angst: Angst vor Ablehnung, Angst vor Klarheit, Angst davor, Verantwortung zu übernehmen. Konfliktvermeidung ist weit verbreitet, gerade in Unternehmen. Sie tarnt sich als Harmonie, als Teamgeist oder als „professionelles Verhalten“. Doch in Wahrheit ist sie eine tickende Zeitbombe.

 

Denn wer Konflikte vermeidet, löst sie nicht. Wer schweigt, stimmt nicht zu, er staut auf. Und wer immer nur „funktioniert“, wird irgendwann innerlich kündigen oder explodieren. Vermeintliche Harmonie ist oft nichts anderes als Stillstand. Ein fauler Frieden. Eine glänzende Oberfläche, unter der es längst brodelt.

 

Die Folge: Mitarbeitende fühlen sich übergangen. Rollen bleiben unklar. Unzufriedenheit wächst schleichend. Die Leistungsfähigkeit sinkt. Kommunikation wird passiv-aggressiv. Und die Unternehmenskultur vergiftet sich langsam, aber sicher. Der Konflikt verschwindet nicht. Er wächst. Und er kommt zurück. Nur später. Und teurer.

 

Konflikte sind kein Problem. Sie sind normal. Gesund. Und notwendig. Sie zeigen, dass Menschen denken, fühlen, sich einbringen. Dass es Reibung gibt und damit Bewegung, Energie, Entwicklung. Das eigentliche Problem ist nicht der Konflikt. Es ist unser Umgang damit. Wer Konflikte vermeidet, wählt den kurzfristig bequemen Weg. Doch langfristig ist es ein Bumerang für alle Beteiligten. Entscheidungen werden aufgeschoben. Fehler nicht angesprochen. Entwicklung blockiert. Mitarbeitende ziehen sich zurück. Führung wird zur Fassade. Konfliktvermeidung ist Führungslosigkeit im Tarnanzug. Sie wirkt nett, ist aber feige.

 

Was es braucht, ist Mut zur Konfrontation. Klarheit in der Kommunikation. Räume für ehrlichen Austausch. Führungskräfte, die Konflikte zulassen und begleiten. Denn jeder unausgesprochene Konflikt ist ein Risiko. Aber jeder ehrlich geführte Konflikt ist eine Chance: für Veränderung, für Wachstum, für echte Verbindung. Wer glaubt, durch Schweigen Frieden zu sichern, irrt. Konfliktvermeidung ist ein stiller Saboteur. Sie lähmt Teams, untergräbt Vertrauen und verhindert Entwicklung. Deshalb: Sprich aus, was gesagt werden muss. Auch wenn es unbequem ist. Gerade dann. Denn kein Konflikt ist auch ein Konflikt.

 

Aber – und das darf genauso gesagt werden, muss wirklich immer alles auf den Tisch? Müssen wir jeden Konflikt ausdiskutieren, jede Spannung analysieren, jedes unausgesprochene Wort sezieren? Ist es nicht manchmal klüger, einfach mal Fünfe gerade sein zu lassen? Nicht jedes Problem braucht eine sofortige Lösung. Manches klärt sich tatsächlich von selbst – mit Zeit, Abstand oder einem Perspektivwechsel. Nicht jeder Konflikt ist reif für eine Klärung. Es kann weise sein, Dinge bewusst stehen zu lassen. Sie sacken zu lassen. Die Emotionen abkühlen zu lassen. Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht und Beziehungen auch nicht, wenn man zu viel daran zerrt. In einem funktionierenden Team darf es knirschen, ohne dass gleich moderiert werden muss. Reibung ist nicht immer ein Symptom. Unterschiedlichkeit muss nicht ständig gelöst, sondern manchmal einfach nur ausgehalten werden. Ausserdem birgt die ständige Konfliktfokussierung eine andere Gefahr: Dass wir anfangen, jede Uneinigkeit zu problematisieren. Dass wir Beziehung mit Gesprächspflicht verwechseln. Und dass wir verlernen, Spannungen einfach mal auszuhalten – in der Gewissheit, dass nicht alles sofort geklärt werden muss. Manchmal zeigt sich Reife auch darin, einen Konflikt ruhen zu lassen, im Vertrauen darauf, dass Zeit, Reflexion und der Alltag manches geradebiegen.

 

Die Wahrheit liegt – wie so oft – dazwischen. Konflikte zu vermeiden ist gefährlich, weil sie sich meist nicht in Luft auflösen. Gleichzeitig ist es nicht immer nötig oder hilfreich, alles sofort zu klären. Es braucht Fingerspitzengefühl. Timing. Reife. Und manchmal auch die Fähigkeit, eine Spannung einfach stehenzulassen, ohne gleich in Aktionismus zu verfallen. Konfliktfähigkeit bedeutet nicht, alles zu besprechen – sondern zu wissen, wann, wie und mit wem. Und manchmal auch, wann nicht. Entscheidend ist, ob das Schweigen aus Angst geschieht – oder aus bewusster Entscheidung. Denn nur wer die Wahl hat, hat auch echte Handlungsfreiheit.

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