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Verfasst von Nicole Renggli, Inhaberin younique hr consulting | Nicole Renggli | LinkedIn
Auf den ersten Blick läuft alles gut. Die Stimmung im Team ist ruhig, es gibt keine lautstarken Diskussionen, Meetings verlaufen gesittet. Konflikte? Kaum spürbar. Kritik? Selten. Viele Führungskräfte würden das als Zeichen eines gesunden Miteinanders deuten. Doch oft ist genau das Gegenteil der Fall. Denn wenn in einem Team niemand widerspricht, niemand Fragen stellt, niemand kritisch nachhakt, bedeutet das nicht automatisch Harmonie – sondern häufig Unsicherheit. Menschen sagen nichts, weil sie sich nicht trauen. Sie halten sich zurück, weil sie gelernt haben: Wer unbequem wird, bekommt Probleme.
Der Begriff „psychologische Sicherheit“ wurde in den späten 1990er-Jahren von der Harvard-Professorin Amy Edmondson geprägt. Sie erforschte ursprünglich Teamdynamiken im medizinischen Kontext und stellte fest: Teams, die offen über Fehler sprechen konnten, machten nicht mehr Fehler, sondern gingen besser damit um. Ihre Leistung war höher, ihr Lernen schneller, ihr Umgang miteinander ehrlicher.
Seitdem ist das Thema in der Organisationsentwicklung, im Leadership-Training und in der modernen Arbeitspsychologie nicht mehr wegzudenken. Doch erst in den letzten Jahren hat es richtig an Relevanz gewonnen, und das nicht zufällig.
Unsere Arbeitswelt verändert sich rasant. Flache Hierarchien, virtuelle Zusammenarbeit, komplexe Veränderungsprozesse, kulturelle Vielfalt, agile Methoden – all das verlangt Kommunikation auf Augenhöhe. Es braucht Mitarbeitende, die mitdenken, sich einbringen, Widerspruch äussern und sich zeigen. Doch das passiert nur, wenn das System es erlaubt. Wenn psychologische Sicherheit vorhanden ist.
Gleichzeitig erleben wir in vielen Organisationen das Gegenteil: hohe Unsicherheit, steigende Belastung, politische Spiele und defensive Führung. Menschen ziehen sich zurück, passen sich an oder verlassen die Bühne.
Hinzu kommen fehlende Innovation, weil neue Ansätze nicht ausgesprochen werden, schleichende Fehler, weil sich niemand traut, frühzeitig zu intervenieren, und Stillstand, weil sich niemand mehr wirklich für etwas einsetzt.
Psychologische Sicherheit ist daher kein Soft-Skill-Thema mehr. Sie ist ein Überlebensfaktor für moderne Teams. Und eine der wichtigsten Voraussetzungen für gesunde, nachhaltige Leistung.
Psychologische Sicherheit entsteht nicht durch schöne Worte auf der Website oder durch ein paar Einzelcoachings. Sie entsteht durch gelebte Haltung, vor allem in der Führung. Es braucht Räume, in denen Offenheit nicht abgestraft wird. Feedback, das ehrlich sein darf. Führungskräfte, die zuhören, statt zu rechtfertigen. Und Teams, die wissen: Hier darf ich sein. Mit meinen Fragen. Meinen Fehlern. Meiner Kritik.
Denn: Ein Team, in dem niemand widerspricht, ist kein gutes Team. Es ist ein unsicheres. Und das ist auf Dauer nicht nur ungesund – sondern richtig teuer.