BLOG
Verfasst von Nicole Renggli, Inhaberin younique hr consulting | Nicole Renggli | LinkedIn
Sie sitzt im Meeting. Vor ihr die Vorgesetzte – ruhig, freundlich, souverän. Kein Streit, keine Vorwürfe, keine roten Köpfe. Auf dem Papier ein normales Gespräch. Doch in ihr tobt Alarm. Herzrasen. Enge in der Brust. Schweiss in den Handflächen. Sie nickt, lächelt, schreibt mit. Niemand merkt, was passiert. Sie schon. Ihr Körper auch.
Viele würden das nicht für einen Konflikt halten. „Das ist doch nur Stress“, „Das bildest du dir ein“. Doch das ist falsch und gefährlich. Konflikt ist nicht erst dann da, wenn es laut wird. Konflikt beginnt viel früher, viel leiser, oft unsichtbar.
Ein Konflikt entsteht, wenn Erwartungen, Werte, Ziele oder Handlungen von Menschen nicht mehr zusammenpassen. Wenn Widersprüche auftauchen. Wenn Bedürfnisse auf Barrieren stossen. Das kann laut sein, muss es aber nicht. Es kann auch leise beginnen, zunächst nur im Inneren einer Person. Genau das ist ein subjektiver Konflikt: Er liegt vor, wenn mindestens eine Seite Spannungen, Druck oder Widerspruch erlebt, während die andere Seite davon gar nichts bemerkt. Er ist nicht offiziell. Er steht in keinem Protokoll. Er ist in keinen KPIs messbar. Aber er ist da und zwar mit Wirkung.
Subjektive Konflikte sind wie unterirdische Ströme: Man sieht sie nicht, aber sie bewegen viel. Sie rauben Energie. Sie untergraben Vertrauen. Sie hinterlassen Spuren – vor allem im Körper. Der Körper reagiert, bevor der Kopf es ausspricht. Herzrasen. Magenkrämpfe. Schlaflosigkeit. Verspannungen. Alles Stresssymptome – und zugleich Botschaften. Wer sie ignoriert, zahlt später mit Burn-out, innerer Kündigung, Fluktuation.
Führungskräfte sehen, was sie messen können: Zahlen, Deadlines, Ergebnisse. Sie sehen selten das Unsichtbare: Angst, Unsicherheit, Überforderung. Sie hören, was gesagt wird, nicht das, was der Körper längst schreit. Genau hier liegt das Risiko. Subjektive Konflikte sind unsichtbare Kosten. Sie verlangsamen Entscheidungen, blockieren Kreativität und zerstören Vertrauen; still, aber wirksam.
Organisationen reden über Strategie, Prozesse, Tools. Sie optimieren Workflows, implementieren neue Systeme, coachen Führung. Aber sie lassen zu wenig Raum für das, was diese Prozesse emotional auslösen. Gefühle gelten als privat, nicht als Managementthema. Bis der Körper streikt und plötzlich doch alles ein Thema wird. „Das war ja gar kein Konflikt“, heisst es dann. Doch. War es. Nur eben nicht sichtbar. Herzrasen ist kein Zufall. Es ist das Echo eines Problems, das niemand anspricht. Innere Kündigung beginnt nicht im Kopf, sondern im Nervensystem. Und wenn der Körper rebelliert, ist es höchste Zeit, hinzusehen.
Was also tun? Nicht warten, bis jemand krank wird. Nicht warten, bis aus leiser Spannung offener Streit wird. Nicht warten, bis gute Leute gehen. Lieber jetzt anfangen, zuzuhören – nicht nur auf Worte, sondern auch auf Pausen, auf Mimik, auf Körpersprache. Wer regelmässig nach Befinden fragt, bevor alles explodiert, verhindert, dass sich Konflikte im Körper festsetzen.
Es hilft, Emotionen nicht als Schwäche abzutun, sondern sie zu legitimieren: Ja, es darf Sorgen, Zweifel und Kritik geben. Wer das klar kommuniziert, schafft Vertrauen. Und Vertrauen entsteht nicht in einmaligen Feedbackgesprächen, sondern durch Kontinuität, Verlässlichkeit, echtes Interesse. Auch Stresssignale sind kein privates Randthema. Herzrasen, Kopfschmerzen, plötzliche Müdigkeit; das sind Hinweise auf Spannungen. Sie ernst zu nehmen und behutsam nachzufragen, zeigt Fürsorge und schützt vor Eskalation.
Und schliesslich: Konfliktkompetenz ist kein Luxus. Sie ist Führungsaufgabe. Führungskräfte, die lernen, auch leise Spannungen zu erkennen und anzusprechen, gewinnen Loyalität und Leistung. Sie verhindern, dass aus innerem Druck körperlicher Schaden und aus unterschwelliger Ablehnung offene Flucht wird.
Konflikte, die nur einer fühlt, sind trotzdem real. Je länger sie unausgesprochen bleiben, desto grösser werden sie. Wer sie ernst nimmt, schützt nicht nur Beziehungen – sondern auch Leistung, Kultur und Gesundheit. Und er sorgt dafür, dass der Körper nicht der letzte bleibt, der widerspricht.